Unterstützte Kommunikation
Nicht die Erreichung einer bestimmten Entwicklungsstufe ist als Vorraussetzung anzusehen, sondern allein die Tatsache, dass ein Mensch lebt, kann den Einsatz von therapeutischen Maßnahmen von unterstützter Kommunikation rechtfertigen.
In den letzten Jahren hat sich im deutschen Sprachraum die "Unterstützte Kommunikation" als Ansatz zur Förderung der Kommunikation für nicht und wenig sprechende Kinder entwickelt. Der folgende Aufsatz gibt einen Überblick über diesen Bereich und macht insbesondere deutlich, dass es sich bei diesem Ansatz nicht um ein starres Repertoire festgelegter Methoden handelt, sondern um ein flexibles Konzept, das alle zur Verfügung stehenden Äußerungs- und Mitteilungsmöglichkeiten des behinderten Menschen einbezieht.
1. Begriffsklärung
Unter dem seit 1992 etablierten Oberbegriff "Unterstützte Kommunikation" werden "alle pädagogischen bzw. therapeutischen Maßnahmen, die eine Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten bei Menschen ohne Lautsprache bezwecken" (Kristen 1994) subsumiert. Hieran wird schon deutlich, wie weitreichend und heterogen die Zielgruppe ist.
2. Zielgruppe
Zielgruppe sind alle Kinder, Jugendlichen, Erwachsenen, die zwar ein ihrem Entwicklungsstand gemäßes Sprachverständnis besitzen, aber aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Behinderung so stark eingeschränkt sind, dass sie vorübergehend oder dauerhaft:
kaum,
gar nicht,
nur einem vertrauten Personenkreis gegenüber oder
nur unter günstigen Umstanden
lautsprachlich kommunizieren können (Kristen, unveröffentlichte Seminarblätter). Zudem erschweren motorische Beeinträchtigungen bei vielen Betroffenen die nonverbalen Kommunikationsmöglichkeiten, so dass sie sich zusammenfassend also "mit den ihnen zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten nicht zufriedenstellend ausdrücken können" (Kristen I994). Da in diese Zielgruppe auch oft Menschen mit Behinderungsformen wie z.B. Cerebralparesen oder geistige Behinderung fallen, sind Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation auch in der Frühförderung, bzw. in der schulischen Förderung unerlässlich. Dabei können nach Kristen (1994) Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation:
als ständige Hilfe nötig sein, z.B. bei Dysarthrie,
als vorübergehende Hilfe z.B. bei Schädel-Hirn-Trauma oder
als Hilfe zum Spracherwerb eingesetzt werden.
3. Grundlegende Positionen Unterstützter Kommunikation
In der Umsetzung des Konzepts der Unterstützten Kommunikation ist in den letzten Jahren eine Veränderung m der Beurteilung der Voraussetzungen auf Seiten der nichtsprechenden Personen in der Weise feststellbar, dass nicht mehr die Erreichung einer bestimmten Entwicklungsstufe (Objektpermanenz, Ursache-Wirkungswissen, Symbolverständnis als Voraussetzung angesehen wird, "sondern alleine die Tatsache, dass ein Mensch atmet, kann den Einsatz von therapeutischen Maßnahmen von Unterstützter Kommunikation rechtfertigen" (Kristen 1994).
Ein Anliegen ist es, durch das Konzept der Unterstützten Kommunikation "nichtsprechenden Menschen und ihren Bezugspersonen so früh wie möglich zu erfolgreichen Kommunikationssituationen zu verhelfen. Dabei wird die Lautsprache keineswegs ausgeklammert, jedoch bei Bedarf durch Kommunikationshilfen,
-techniken und Strategien ergänzt" (Kristen 1995). Gerade diese Ergänzungen sind wichtig, da trotz intensiver Sprachtherapie bei vielen nichtsprechenden Menschen oftmals nur sehr geringe Verbesserungen der Lautsprache, und damit ein Verbesserung der kommunikativen Kompetenz, erreicht wurden.
Im Mittelpunkt der Unterstützten Kommunikation steht also die Förderung der kommunikativen Fähigkeiten. Dabei vertritt die Unterstützte Kommunikation den Ansatz der totalen Kommunikation, d.h. "sämtliche Möglichkeiten, einem Menschen ein umfassendes Kommunikationssystem bereitzustellen, sollen ausgeschöpft werden" (Braun 1994). Ein maßgebliches Kriterium für die Entwicklung eines solchen Kommunikationssystems liegt somit in der Effektivität für den/ die Benutzerin. Daher muss mit jedem Menschen ein individuelles, bedürfnisorientiertes Kommunikationssystem gefunden werden. Dass sich ein solches Kommunikationssystem mosaikartig aus vielen, z.T. unüblichen Kommunikationsformen zusammensetzt, liegt auf der Hand. In der Fachsprache wird ein solches Kommunikationssystem "Multimodales Kommunikationssystem" genannt. Nach Kristen (1994) sollen in diesem folgende Ausdrucksmöglichkeiten eines Menschen bewusst berücksichtigt werden:
Blickbewegung,
Mimik,
Laute, Lautsprache,
Gestik,
Körperhaltung, Körperbewegung,
Gebärden,
nicht-elektronische Hilfe,
elektronische Hilfe,
Schriftsprache.
Um ein effektiv, individuell zugeschnittenes Kommunikationssystem zu entwickeln, ist eine diagnostische Abklärung, eine sorgfältige Planung und Dokumentation unerlässlich. Hierfür ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Berufsgruppen (z.B. Lehrerinnen, Erzieherinnen, Ergotherapeutinnen, Krankengymnastinnen,...) genauso erforderlich, wie ein guter Kontakt zu den Eltern oder anderen Bezugspersonen. Des weiteren stellt "die Information der Gesprächspartner über die Struktur wirksamer und zufriedenstellender Kommunikation, über die Entwicklung von Kommunikation und über den Einfluss des eigenen Verhaltens auf den Verlauf der Interaktion" (Kristen 1995) eine weitere wichtige Maßnahme dar. Denn gerade das Wissen über die Probleme bei der Kommunikationsentwicklung, sowie eine offene Haltung, Einstellung und Erwartungshaltung der Gesprächspartnerinnen hat einerseits einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Kommunikation bei nichtsprechenden Menschen, und andererseits wirkt die offene Haltung und veränderte Einstellung der Gefahr entgegen, durch bloßes starres Durchführen der Maßnahmen "blind" zu werden für ungewöhnliche Kommunikationsformen. Nicht zuletzt ist es notwendig, den nichtsprechenden Personen Strategien zu zeigen, mit denen sie zum Beispiel Aufmerksamkeit erhalten können oder ein Gesprächsthema auswählen und steuern können.
Das Ziel Unterstützter Kommunikation ist es also, nichtsprechende Menschen aus ihrer kommunikativen Not zu befreien (Braun 1992). Dabei reicht es nicht, mit ihnen nur Kommunikationshilfen zu erarbeiten, sondern es ist für diese Menschen genauso wichtig, dass man ihnen aufrichtig, wertschätzend und mit einfühlendem Verstehen und Empathie (Rogers) gegenübertritt, damit sie die Erfahrung machen, dass sie und ihre Themen oder Mitteilungen ernst genommen werden. Sie erleben sich so als kompetente Gesprächspartnerinnen. Gerade dadurch werden Frustrationserlebnisse abgebaut und die Motivation zu neuen Aktionen erhöht sich.
Grenzen der Unterstützten Kommunikation
Trotz der Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation stößt man jedoch immer wieder an Grenzen. So können die Bezugspersonen einfach nicht immer alles verstehen, was die nichtsprechende Person ausdrücken möchte. Auch die nichtsprechende Person ist nicht immer in der Lage, durch ihr individuelles Kommunikationssystem alle ihre Wünsche, Gedanken und Bedürfnisse auszudrücken. So kommt es trotz allem immer wieder zu Missverständnissen "Es ist ein Teil von Unterstützter Kommunikation, dass beide Gesprächspartner lernen, mit diesen Missverständnissen, Kommunikationsabbrüchen und Fehlinterpretationen umzugehen" (Kristen 1994).
"Unterstützte Kommunikation" ist die deutsche Bezeichnung für den international anerkannten Fachbereich "AAC" (Augmentative and Alternative Communication). Durch die Tätigkeit der International Society for Augmentative and Alternative Communication (ISAAC) wurde das Konzept seit 1990 auch in deutschsprachigen Ländern bekannt. Heute finden, angeregt durch ISAAC, regelmäßige Fortbildungen, Tagungen oder Benutzertreffen statt, bei denen ein intensiver Erfahrungs- und Informationsaustausch über diesen Fachbereich möglich ist.
http://www.ph-heidelberg.de/org/geistigb/u-kom.htm
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Zur Unterstützten Kommunikation gibt es inzwischen auch in D schon einige Bücher. Die meisten geben einen Überblick, was dazu gehört, welche Hilfsmittel und Methoden, wo man Hilfen bekommt.